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Ein Märchen aus 1001 Nacht... Trekking M'goun durch den Hohen Atlas in Marokko

Irgendeinen Haken muss doch diese Reise haben? Das Angebot ist verdächtig günstig. Also lieber noch einen Müsliriegel mehr einpacken, noch ein paar Kohletabletten...

Sonntag, 1.6.03
Wir reisen also los mit einem Seesack voller Bedenken... die allerdings bei unserer Ankunft in Marrakech sofort zerschlagen werden. Die Reisegruppe entpuppt sich als netter Haufen, das Hotel Ali ist zwar einfach, aber sehr gemütlich und liegt direkt am zentralen Platz Jemaa el-Fna. Nach unserer ersten - absolut positiven - Erfahrung mit der zu Recht viel gepriesenen marokkanischen Küche auf der Dachterrasse unseres Hotels zieht es uns dann auch gleich auf diesen Platz, der uns vom ersten Moment an mit seinem orientalischen Flair verzaubert. Nach einigen frisch gepressten Orangensäften am Stand Nr. 58 (ein kleiner Trost für den nicht erhältlichen Alkohol in Marokko!) spazieren wir zwischen Essständen (es gibt nichts, was es hier nicht gibt), Geschichtenerzählern, Gauklern, Schlangenbeschwörern, Trommlern... Einige wagen sich sogar in die Souqs vor und können ersten kleineren Einkäufen nicht widerstehen.

Montag, 2.6.03
Nach einer - trotz Muezzin - recht erholsamen Nacht brechen wir früh zu unserer Trekkingtour auf. Reda, unser einheimischer Führer, holt uns am Hotel ab. Nachdem unser Gepäck schließlich auf dem Dach des Kleinbusses verstaut ist, geht's los. Wir werden Zeugen eines Unfalls zwischen einem Eselskarren und einem Auto, bei der ein Esel nicht mehr bremsen kann, auf den Kleinbus "auffährt" und blutend in den Scherben liegen bleibt. Weiter geht's durch abwechslungsreiche Landschaften nach Azilal, wo wir unsere Mittagspause einlegen. Zum ersten Mal kommen wir in den "Genuss" des typisch marokkanischen Pfefferminztees, d.h. grüner Tee mit frischer Minze und reichlich Zucker. Wir trinken ihn mit Todesverachtung und können uns gar nicht vorstellen, dass wir uns so schnell an dieses süße Getränk gewöhnen und uns sogar von Tag zu Tag mehr drauf freuen. Nach einem Mittagessen fahren wir dann weiter zum Ausgangspunkt unserer Wanderung, dem Pass "Imi-n-Ourled".
"Donne-moi un stylo, un stylo s'il vous plait"... Noch bevor wir unsere Begleitmannschaft begutachten können, sind wir von unzähligen Kindern umringt, und unser Vorrat an Kugelschreibern und anderen kleinen Mitbringseln schmilzt dahin wie Schnee in der Sonne. Während wir noch mit Geschenke-Verteilen und Abwimmeln beschäftigt sind, haben unsere sieben "Muletiers" bereits unser Gepäck auf die sieben Maultiere gepackt, so dass wir schon um 14:00 h unseren Fußmarsch beginnen. Wir wandern drei Stunden durch herrliche Landschaften und Getreidefelder bis zu unserer Gîte d'Etape "Sremt", wo wir unter freiem Himmel, auf Bastmatten sitzend, unserer Abendessen einnehmen. Man kann sich kaum vorstellen, mit wie viel Fantasie und Liebe die Begleiter mit einfachsten Mitteln ein so leckeres Essen zubereiten können. Es gibt - wie übrigens fast jeden Abend - die typische Harira-Suppe und danach eine Tajine, einen Gemüseauflauf. Obwohl es zwei größere Zimmer gibt, beschließen die meisten von uns, die Nacht unter dem Sternenhimmel im Freien zu verbringen.

Dienstag, 3.6.03
Gut ausgeruht und durch ein reichhaltiges Frühstück gestärkt brechen wir zu unserer ersten richtigen Etappe auf. Jetzt wird getestet, was wir so alles aushalten! Erst zwei Stunden recht steil bergauf zu unserem höchsten Punkt für heute, zum Tizi-n-Ait Ourirt (2600 m). Die wunderschöne Landschaft entschädigt uns aber für die Anstrengung. Und noch mehr entschädigt uns ein wiederum tolles Mittagessen in der Gîte d'Etape Isskartaffen, wo man uns auf der schattigen Terrasse die tollsten Salatvariationen serviert. Durch mehrere kleine Dörfer durch das Tal Ait Bougemez führt uns dann unser Fußmarsch zu unserem ersten Zeltplatz nach Agouti. Das Küchenzelt, das Gemeinschaftszelt, das Toilettenzelt sowie die 2-Mann-Zelte stehen bereits und nach kurzer Erfrischung im Fluss heißt's dann wieder Teetrinken und sich aufs Abendessen - diesmal sogar mit Couscous - freuen.

Mittwoch, 4.6.03
Die erste Nacht im Zelt war leider nicht so ruhig: die Hunde bellen, die Mulis grasen und rütteln mit ihren Ketten, aber das war alles nichts gegen unsere schnarchenden Männer! Trotzdem sitzen wir alle gut gelaunt und voller Motivation am Frühstücks-"Tisch" und stärken uns für den Weitermarsch durch Felder und Schluchten zu einem herrlichen Mittags-Picknick-Platz im Schatten an einem Fluss, wo wir dann auch noch Siesta halten und uns ganz faul unter den Bäumen wälzen, bevor wir den Weitermarsch nach Rougoult antreten. Unterwegs sehen wir immer neue landschaftliche Höhepunkte, Felsen in allen Farben - rot, grün, gelb, weiß. Ein schönes Lager unter alten Bäumen und ein leckeres Abendessen erwarten uns.

Donnerstag, 5.6.03
Angestarrt von 100 Kinderaugen verlassen wir nach dem Frühstück den Zeltplatz zu der bisher landschaftlich schönsten Etappe durch herrliche Schluchten, immer am Fluss entlang. Nach vier Stunden erreichen wir unser Lager am Tizi-n-Rougoult, der Endstation für heute. Den Nachmittag verbringen wir mit Lesen und Erzählen und die ganz Harten unter uns machen sogar noch eine extra Bergtour. Zur Teestunde gibt's heute frische - noch warme - Krapfen - einfach herrlich. Die Berber beginnen in ihren Zelten zu singen und auf allen möglichen "Instrumenten" (z.B. Plastikschüsseln und Brotkörbchen) zu trommeln, einige von uns tanzen sogar zu den rhythmischen Klängen. Nach dem Abendessen ziehen wir uns wieder in unsere Zelte zurück und hoffen, dass der Sturm, der im Laufe des Nachmittags immer stärker wurde, unsere Zelte nicht weg reißt.

Freitag, 6.6.03
Nach einer recht stürmischen Nacht ziehen wir uns zum ersten Mal unsere Anoraks und Mützen an und steigen steil hinauf zum Tizi-n-Rougoult auf 2800 m, wo wir mit einem herrlichen Blick auf Tassaout belohnt werden. Nach einem kurzen Abstieg geht's wieder steil hinauf auf den Pass von Sdrems (3200 m). Nach insgesamt fünf Stunden Fußmarsch erreichen wir einen malerischen Picknickplatz in der Schlucht von Wandrass. Inmitten saftig grüner Wiesen an einem Fluss bekommen wir unser Essen und lassen es uns so richtig gut gehen. Über eine Hochebene, die irgendwie an eine Landschaft in der Mongolei erinnert, marschieren wir weiter, sehen viele Schafe und sogar auch Kamele, bis wir dann das Basislager des Jebel M'Goun auf 2900 m Höhe erreichen. Wir trauen unseren Augen kaum, als wir einen Kiosk und heiße Duschen sehen! Jedoch will keiner von uns ein "Weichei" sein, und so verzichten wir ganz solidarisch auf die Dusche. Am Himmel braut sich etwas zusammen und schon bald beginnt ein starkes Gewitter. Es hagelt und wir kauern uns zusammen im Gemeinschaftszelt, wo es jedoch nach einiger Zeit genauso nass ist wie draußen. Wie verängstigte Tiere drängen wir uns an der letzten trockenen Stelle zusammen. Es kommen ständig neue Gewitterfronten. Reda erzählt uns, dass die drei Gruppen, die heute morgen hier waren, den Gipfel wegen des starken Windes nicht besteigen konnten, und für uns sieht es wohl auch recht schlecht aus. Wir sind ziemlich enttäuscht. Trotzdem gehen wir früh schlafen.

Samstag, 7.6.03
Als wir um 05:00 h aufstehen, können wir unseren Augen nicht glauben: ein sternenklarer Himmel. Gott sei Dank - alhamdulillah! Wir sind glücklich, dass wir den M'Goun, den Höhepunkt der Tour, in Angriff nehmen können. Nach einem wider Erwarten gar nicht allzu anstrengenden Anstieg erreichen wir gegen 11:00 h den Gipfel - für einige von uns der erste Viertausender, nämlich 4.068 m. Wir sind sehr glücklich über diesen Gipfelerfolg und noch glücklicher, als Isabella für alle Damen einen Remy Martin aus dem Rucksack holt. Wir schaffen es gerade noch, einige Fotos zu machen, da zieht sich der Himmel schon wieder zu, und bei einsetzenden Graupelschauern machen wir uns schnell an den Abstieg, der eher einer Abfahrt durch ein Geröllfeld gleicht. Obwohl wir heute kein Küchenmuli dabei haben, zaubern unsere Guides ein leckeres Essen mit Eiern, Kartoffeln, Tomaten und Thunfisch. Im Nieselregen geht's dann weiter zu unserem Camp in Oulilimt. Wieder kauern wir - nass wie Kirchenmäuse - im Zelt bei Tee und frisch gebackenen Krapfen. Als kurz darauf die Sonne wieder scheint, breiten wir alles zum Trocknen aus. Zum Abendessen gibt's heute sogar frisch gebackenes Fladenbrot - ein Glück, dass endlich das Brot ausgegangen war! Nach dem Essen sind wir alle sehr müde, aber sehr zufrieden, dass wir den Gipfel trotz der Wetterkapriolen besteigen konnten.

Sonntag, 8.6.03
Endlich können wir mal ausschlafen! Bei traumhaftem Wetter marschieren wir erst um 8:00 h los. Eine herrliche und kurze Etappe liegt vor uns - drei Stunden lang gehen wir durch das Oulilimt-Tal und kommen immer wieder an bizarren Felsformationen vorbei. Um 11:30 erreichen wir schon unser Lager in Aflafal. Nach dem Essen können wir machen, was wir wollen: Lesen, Faulenzen, Tagebuch schreiben, oder - was ein Großteil macht - die wunderschöne Quelle von Aflafal besuchen, wo wir unsere Flaschen mit frischem Wasser füllen. Abends gibt es wieder ein "Berberkonzert" auf Tupperschüsseln, Brotkörbchen und diesmal sogar richtigen Trommeln, und wir tanzen alle dazu.

Montag, 9.6.03
Eine neue traumhaft schöne Etappe liegt vor uns. Wir sind immer wieder begeistert, dass jeder Tag völlig anders ist. Heute wandern wir durch viele kleine Dörfer und Felder. Die schwarze Gewitterwand, die uns seit heute morgen verfolgt, erreicht uns pünktlich zum Mittagessen in Ifquiren. Es hagelt kurz, aber das schlimmste bleibt uns erspart. Trockenen Fußes erreichen wir dann um 14:00 h unser Lager in Imi Nirkt. Hier gibt es sogar heiße Duschen und die meisten von uns outen sich als "Weicheier" und gönnen sich eine Dusche. Frisch gewaschen schmeckt dann der Couscous mit Hammel noch viel besser.

Dienstag, 10.6.03
Um unsere Skepsis gegenüber der bevorstehenden Flusswanderung etwas zu bekämpfen, bekommen wir heute frische Pfannkuchen zum Frühstück. Wir können uns noch gar nicht so richtig vorstellen, dass die heutige Etappe die erste von den drei Flussetappen sein soll. Wir schauen alle ziemlich komisch aus mit unseren Sandalen und Socken - wie typisch amerikanische Touristen. Und schon bald heißt's ab ins Wasser, ab jetzt wandern wir direkt im M'Goun-Fluss. Teilweise ist die Schlucht sehr eng und das Wasser reicht oft bis zum Knie, aber es macht viel Spaß, im Wasser, das gar nicht so kalt ist, zu waten. Wie immer verfolgt uns eine schwarze Regenwand, deshalb müssen wir recht zügig gehen. Trotzdem genießen wir die herrliche Landschaft, die enge Schlucht, die zahlreichen Oleanderbüsche. Und ohne - zumindest von oben - nass zu werden, erreichen wir unser Lager in Tiriminin. Wir ruhen uns aus, und plötzlich verstehen wir, warum Reda so schnell ging, denn der Fluss ist plötzlich reißend und dreckig, ganze Bäume werden angeschwemmt - in den Bergen muss es ein starkes Gewitter gegeben haben!

Mittwoch, 11.6.03
Der Fluss ist immer noch recht braun, aber tapfer treten wir unsere nächste Etappe durchs Wasser an. In Aguerzaka kaufen wir in einem "Supermarkt" ein und der Besitzer lädt uns zum Tee ein. Bei süßem Tee und harten Feigen sitzen wir gemütlich im Wohnzimmer, bevor wir uns zum Mittagslager in Ighrem Aqdim aufmachen. Bei lautem Donnergrollen und Regen lassen wir uns wie immer mit einem tollen Mittagessen verwöhnen und brechen hektisch zu unserem Nachtlager in Tamgallouna auf. Es liegt malerisch auf einem Felsen und wir genießen die letzte Nacht in unseren Zelten.

Donnerstag, 12.6.03
Die letzte Etappe! Leider! Das Tal wird immer breiter, nur ab und zu gehen wir im Wasser, die hohen Berge liegen weit hinter uns zurück. Das Wetter ist strahlend schön, und langsam geht's zurück in die Zivilisation. Man sieht die ersten Häuser, die ersten Autos, und um 13:00h erreichen wir unser Ziel, die schöne und relative neue Gîte d'Etape von Hadida. Wir sitzen gemütlich im Innenhof und lassen unsere schöne Trekkingtour noch mal Revue passieren. In einem Café nebenan genießen wir Kaffee und frisch gepressten Orangensaft. Frisch geduscht genießen wir zum letzten Mal das Abendessen bei Vollmond. Die Nacht verbringen einige von uns im Freien, was wegen Muezzin- und Mückenplage sicher nicht die beste Entscheidung war.

Freitag, 13.6.03
Freitag der 13.! Aber das einzige Unglück an diesem Tag ist, dass unsere Tour vorbei ist. Wir packen unsere Sachen und fahren um 08:00h mit dem Bus los. Unterwegs besichtigen wir noch eine Kasbah und fahren dann weiter nach Ouarzazate. Oben am Tizi-n'Tichka regnet es fürchterlich. Nach dem Mittagessen in einem kleinen Ort fahren wir gemütlich weiter und erreichen um 16:00 h Marrakech. Wir ruhen uns aus, machen einen Stadtbummel und treffen uns wieder zum Abendessen auf der Dachterrasse.

Samstag, 14.6.03
Der letzte Tag in Marrakech ist zur freien Verfügung. Wir kaufen ein, besichtigen die Saadier Gräber, den Palais de la Bahia, die älteste Koranschule Medersa Ben Yousseff u.v.m. Bei unserem letzten Abendessen auf der Dachterrasse schwärmen wir alle von dieser wirklich gelungenen Trekkingtour, die uns allen ausnahmslos gut gefallen hat. Einige von uns haben bereits Pläne, bald wieder nach Marokko zu kommen um evtl. im Rahmen einer anderen Tour noch mehr von diesem Land zu erleben.

(c) Claudia E.

Und noch eine kurze Nachbemerkung: das Wetter in dieser Region ist normalerweise recht stabil und es regnet durchschnittlich etwa an einem Tag während einer 14tägigen Tour.

Tourverlauf der Trekkingtour M'goun und Fotos dazu.

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